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Foxtrott 4

Nun liegt es also vor: Das erste Buch eines deutschen Journalisten der ‚tief eingebettet‘ Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan begleitet hat. Im englischen Sprachraum hat sich die Bezeichnung embedded journalist für diese Art der Tätigkeitsausübung etabliert.

Jonathan Schnitt war von Juni 2011 bis Januar 2012 mit Soldaten aus dem niedersächsischen Munster in der Region Kunduz (Afghanistan) eingesetzt und hat die Höhen und Tiefen dieser Zeit in einem sehr authentischen Bericht zusammengefasst.

Zunächst geht der Autor auf seine Motive ein. Was hat ihn, den Kriegsdienstverweigerer, bewegt mit Anfang 30 für einige Monate nach Afghanistan zu gehen und über diese Zeit ein Buch zu schreiben? Sein erklärtes Ziel: Die Soldaten außerhalb des Lagers rund um die Uhr begleiten und diese Erfahrung gut lesbar und nachvollziehbar wiedergeben. Live dabei sein, draußen außerhalb des vermeintlich sicheren Lagers. Draußen sein in einem Land, in dem dauerhaft fast 5000 deutsche Soldaten ihren Dienst versehen. („Was macht das mit meiner Generation, die die erste seit dem Zweiten Weltkrieg ist, in der es wieder gefallene Soldaten gibt?“)

Foxtrott 4 von Jonathan Schnitt
Foxtrott 4 von Jonathan Schnitt

In angenehm kurzen Kapiteln stellt der Autor zunächst die Besatzung von Foxtrott 4, einem geschützten Fahrzeug (DINGO), vor. Der Bataillonskommandeur der Panzergrenadiere aus Munster und der Kompaniechef der 3. Kompanie kommen ebenso zu Wort wie der Kommandant und die restliche Besatzung von Foxtrott 4. Nach diesen einleitenden Kapiteln geht der Autor noch kurz auf seine persönliche Vorbereitung ein, bis er dann zum Kern des Buches kommt: Dem sechsmonatigen Einsatz der Panzergrenadiere als sogenannte (umgangssprachlich) Task Force Kunduz.

4 Soldaten und 1 Journalist

In einer Mischung aus Schilderungen von Erlebnissen und Gefühlen, sowie Interviews baut sich schnell ein kompaktes Bild des fordernden Einsatzes auf. Hier erfährt man aus erster Hand, was die Soldaten fernab der Heimat über ihren Einsatz denken, wie sie das Erlebte verarbeiten und was sie fühlen. Ungewöhnlich und überraschend offen lassen die Soldaten den Leser an ihrem Gefühlsleben teilhaben. Aber auch der Autor gibt viel von sich preis und reflektiert das Erlebte zum Teil sehr selbstkritisch.

Bereits am Anfang des Buches macht Schnitt klar, dass es sich nicht um eine objektive Schilderung des Einsatzes handeln kann. Die Nähe zu den Soldaten, die geteilten Entbehrungen und die gemeinsamen Erlebnisse würden diesen Anspruch ohnehin nicht rechtfertigen.

Die Authentizität von „Foxtrott 4“ spiegelt sich auch sprachlich wieder. Wie bereits erwähnt, erfährt man sehr direkt wie die Soldaten über den Einsatz in Afghanistan und die Menschen dort denken. Da ist schon mal erfrischend unkorrekt die Rede von den Kuddels (Einheimische); die Kräfte, die das Lager nicht verlassen, werden wenig wertschätzend als Drinnies bezeichnet und das Wort schwul wird synonym für alles Schlechte genutzt.

Im Mittelteil des Buches befindet sich eine Bildstrecke mit sehenswerten Aufnahmen. Neben der afghanischen Landschaft werden die Lebensverhältnisse der Soldaten sehr gut dargestellt.

authentisch und unverfälscht

Dingo in Afghanistan
Dingo in Afghanistan

Mit dem 224 Seiten umfassenden Buch schafft es der Autor spielend den Leser zu fesseln. Die Besatzung des Fahrzeugs wird ohne viel Pathos vorgestellt und schnell macht man sich als Leser ein eigenes Bild von den jungen Männern. Neben den Schilderung des Autors kommen die Soldaten auch selbst zu Wort und erhalten die Gelegenheit ihre Erfahrungen und Ansichten aus und um Afghanistan zu schildern.

Das vorliegende Buch bietet dem Leser einen ungeschminkten Einblick in den Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan. Natürlich ist das Buch beziehungsweise dessen Inhalt durch die Hände eines Lektors gegangen und wurde mit Sicherheit auch von der Bundeswehr kritisch durchleuchtet, doch das Ergebnis macht einen authentischen und unverfälschten Eindruck. Insbesondere der Mut die sprachlichen Eigenheiten nicht zu beschönigen, die häufig auftretende Monotonie und die dauerhaft widrigen Umstände wiederzugeben, zeichnen dieses Buch aus.

„Foxtrott 4 – Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan“ steht für eine neue Ehrlichkeit in der Berichterstattung und ist ausgesprochen lesenswert.


Bildquelle: Bundeswehr/Schreiner

Von Ralf

Seit November 2009 schreibe ich Rezensionen zu Sachbüchern. Ich freu' mich über Feedback und Kommentare.

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