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Die reden – wir sterben

In der öffentlichen Wahrnehmung galten die Auslandseinsätze der Bundeswehr lange als friedliche und weitestgehend ungefährliche Aufträge mit humanitärer Ausrichtung. Die Entwicklung der letzten Jahre, speziell im Afghanistan-Einsatz, haben aber eine neue Sichtweise hervorgebracht. In den vergangenen Jahren haben sich die Publikationen zum ISAF-Einsatz gehäuft, zunehmend befanden sich unter den Neuerscheinungen auch Erfahrungsberichte von Soldaten. Mit „Die reden – Wir sterben“ erschien im August 2010 im Campus-Verlag ein Buch, das sich intensiv mit der Situation der Heimkehrer auseinandersetzt.

Die reden - Wir sterben

Zunächst gehen die beiden Autoren, Oberstleutnant a.D. Andreas Timmermann-Levanas und die Historikerin und Journalistin Andrea Richter, im Vorwort auf die Gesamtsituation der Entstehung des Buches und die Ziele der Publikation ein. Den Ausführungen folgend, kehrt ein Großteil der Soldaten, die an einer besonderen Auslandsverwendung der Bundeswehr teilgenommen haben, physisch und psychisch gesund aus dem Einsatz zurück. Doch es gibt eine Minderheit von Soldaten, die nach dem Einsatz mit teilweise so massiven Problemen zu kämpfen haben, dass sie kein geregeltes Leben mehr führen können.

Der Autor Andreas Timmermann-Levanas gehört zu dieser Gruppe und schildert im ersten Kapitel die Ursachen für seine Probleme, die medizinisch betrachtet als Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) bezeichnet werden.  Im zweiten Kapitel schildert Timmermann-Levanas unter anderem die täglich auftretenden Symptome der PTBS und die Auswirkungen auf sein Privat- und Berufsleben. Der abschließende Abschnitt ist dem Thema Anerkennung einer PTBS und den damit einhergehenden Problemen gewidmet.

Das persönliche Schicksal des Autors fesselt den Leser förmlich an das Buch und die geschilderten Erfahrungen, Eindrücke aber auch komplexe Situationen werden eindringlich geschildert. Der Leser erhält die Gelegenheit an den Erlebnissen und Einsatzerfahrungen des ehemaligen Presseoffiziers teilzuhaben. An die persönliche Vorgeschichte schließt sich eine wissenschaftliche Zusammenfassung an. Gut verständlich wird die Diagnose PTBS „zerlegt“ und Ursachen, Grundlagenforschung und mögliche Therapieformen beschrieben. Hierbei liegt der Fokus nicht mehr nur allein auf den aktuellen Ereignissen in den Einsätzen der Bundeswehr, sondern die Schilderungen gehen bis zur Zeit des Ersten Weltkriegs zurück. Sauber zitiert und fundiert recherchiert, kann auch dieser Teil des Buches überzeugen. Im dritten Abschnitt setzt sich der Autor anhand seines eigenen Erlebens mit den Mühlen der Bundeswehr auseinander, schildert eindrücklich seinen weiteren Werdegang in der Bundeswehr, einschließlich Dienstunfähigkeitsverfahren und seinem Ausscheiden aus der Armee nach insgesamt 24 Dienstjahren.

Das Buch erscheint als Taschenbuch und enthält neben einem sehr ausführlichen Glossar und Abkürzungsverzeichnis noch einige Karten Afghanistans. Im Mitteteil befindet sich eine Bilderstrecke mit insgesamt 61 Farbbildern. Unter anderem bekommt man einen Eindruck von der Kultur Afghanistans sowie der täglichen Arbeit des Pressesprechers auf Patrouille oder bei einer Pressekonferenz.

Fazit: Mit „Die reden – Wir sterben“ legen die Autoren ein mutiges Buch vor, das sicherlich nicht nur für Soldaten interessant ist. Die in weiten Teilen autobiografische Schilderung erzeugt Betroffenheit – ohne auf die Tränendüse zu drücken. Es bleibt zu hoffen, dass das Buch eine breite Öffentlichkeit erreichen wird, denn das machen die Autoren deutlich, es ist nicht zu erwarten, dass die Zahl der PTBS-Fälle rückläufig sein wird. Klare Kaufempfehlung!

Mehr Informationen: Deutsche Kriegsopferfürsorge (DKOF)

Von Ralf

Seit November 2009 schreibe ich Rezensionen zu Sachbüchern. Ich freu' mich über Feedback und Kommentare.

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